Andacht zum 2. Mai 2021 - Sonntag "Kantate"

 

Orgelvorspiel über „Ich singe dir mit Herz und Mund“

 

Der Friede des Herrn sei mit euch allen.
Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Unsere Hilfe und unser Anfang stehen im Namen des Herrn,
der Himmel und Erde gemacht hat,
der Bund und Treue hält ewiglich,
und der nicht preisgibt das Werk seiner Hände.
Amen.

Vor dem Sonntag „Kantate“, an dem uns auch in diesem Jahr wieder schmerzlich bewusst wird, wie schön es war, miteinander im Gottesdienst oder im Chor singen zu können, hören wir biblische Worte, die uns zum Musizieren einladen, weil darin das Lob Gottes auf besondere Weise laut wird.

Ich bete mit uns die Worte des 98. Psalms in der Fassung der Basisbibel:

Singt dem Herrn ein neues Lied,
denn Wunder hat er getan!
Geholfen haben ihm seine starke Hand
und sein heiliger Arm.
Der Herr hat seine Hilfe bekannt gemacht.
Vor den Augen der Völker hat er offenbart,
dass seine Gerechtigkeit allen Menschen gilt.
Er dachte an seine Güte und Treue,
die er dem Haus Israels erwiesen hat.
Menschen aus der ganzen Welt haben gesehen,
wie unser Gott geholfen hat.
Heißt den Herr willkommen, alle Länder!
Brecht in Jubel aus, seid fröhlich und musiziert!
Musiziert für den Herrn mit der Leier,
mit der Leier und vollem Saitenklang!
Mit dem Schall von Trompeten und Widderhörnern
heißt den Herrn als König willkommen!
Das Meer soll brausen und alles, was in ihm lebt!
Der Erdkreis soll jubeln und alle seine Bewohner!
Die Flüsse sollen in die Hände klatschen,
und die Berge sollen im Chor jubeln –
vor dem Angesicht des Herrn.
Denn er kommt,
um Gericht zu halten auf der Erde.
Über den Erdkreis wird er ein gerechtes Urteil fällen
und die Völker nach Recht und Ordnung richten.


Das öffentliche Lob Gottes im Gesang ist nicht nur heute manchen Menschen unangenehm.
Im Predigttext zum Sonntag Kantate, der die Geschichte vom Einzug Jesu nach Jerusalem aus der Sicht des Evangelisten Lukas erzählt, hören wir Bedenken gegenüber solchem vermeintlich unvernünftigen Hinausposaunen, aber auch die mahnenden Worte Jesu zu den Folgen des Schweigens.
„Lasst doch die Steine nicht schreien“
- die letzten Worte aus dem Predigttext, verbunden mit einer Melodie, sind mir seit Tagen nicht mehr aus dem Sinn gegangen. Heute Morgen ist mir der Rest des Textes und der Melodie wieder eingefallen. Gesungen haben wir dieses Lied in einem Jugendgottesdienst Anfang 1981 in der Kreuzkirche in Hannover. Da war ich siebzehn, und da hat man bekanntlich ja noch Träume…

Der Text stammt von Wolfgang Fietkau, die Melodie von Wolfgang Teichmann:
Mitten hinein will ich singen.

In euren Wänden seid ihr zuhause,
in euren Wänden, da wohnt ihr,
Mitten hinein will ich singen,
singen, mitten hinein in die Wände:
Seht doch die Fenster und Türen!

In euren Wünschen seid ihr zuhause,
in euren Wünschen, da wohnt ihr.
Mitten hinein will ich singen, singen,
mitten hinein in die Wünsche:
Lasst euch durch Tatsachen stören!

In eurer Sprache seid ihr zu Hause,
in eurer Sprache, da wohnt ihr.
Mitten hinein will ich singen, singen,
mitten hinein in die Sprache:
Lasst doch das leere Gerede!

In eurem Schweigen seid ihr zu Hause,
in eurem Schweigen, da wohnt ihr.
Mitten hinein will ich singen, singen,
mitten hinein in das Schweigen:
Lasst doch die Steine nicht schreien!

 

Der Predigttext steht bei Lukas im 19. Kapitel.

Auf einem Eselfohlen zieht Jesus nach Jerusalem ein.
Anders als in den übrigen Evangelien
jubelt ihm bei seiner Ankunft in der Stadt allerdings keine Menschenmenge zu,
sondern seine Jüngerinnen und Jünger:
So kam Jesus zu der Stelle, wo der Weg vom Ölberg nach Jerusalem hinabführt.
Da brach die ganze Schar der Jüngerinnen und Jünger in lauten Jubel aus.
Sie lobten Gott für all die Wunder, die sie miterlebt hatten.
Sie riefen: „Gesegnet ist der König, der im Namen des Herrn kommt!
Friede herrscht im Himmel und Herrlichkeit erfüllt die Himmelshöhe!“
Es waren auch einige Pharisäer unter der Volksmenge.
Die riefen ihm zu: „ Lehrer, bring doch deine Jünger zur Vernunft!“
Jesus antwortete ihnen: „Das sage ich euch:
Wenn sie schweigen, dann werden die Steine schreien!“
(Lk 19, 37-40 in der Fassung der Basisbibel)

 

Liebe Gemeinde!

Wenn Steine schreien, dann bedeutet das nichts Gutes. Wenn Steine, die der Inbegriff von Schweigen und Tod sind, schreien, dann haben wohl viele Menschen Bilder vor Augen von Städten in Trümmern, von Steine werfenden Menschen an Orten des Bürgerkriegs, von Steinigungen, mit denen Menschen bis heute zu Tode gebracht werden: beredte Steine, die nicht das Leben preisen, sondern den Hass, die Gewalt und den Tod. Auch beim Propheten Habakuk lässt sich dieses Bild finden:
Ja, der Stein in der Mauer wird schreien (Hab 2,11).
Und wenn das Lob des den Tod überwindenden Gottes zum Schweigen gebracht wird, dann schreien die Steine. Im Anschluss an die Worte des Predigttextes wird Jesus über Jerusalem weinen. Der Evangelist Lukas weiß zu seiner Zeit schon, warum. Die Mauern und Häuser der Stadt liegen bereits in Trümmern, kein Stein lag mehr auf dem anderen, zerstört durch die römische Besatzungsmacht im Jahr 70. Und vom Tempel sind nur noch die Steine der Klagemauer übrig geblieben, bis heute – Steine, die zum Himmel schreien. Wahrscheinlich wollten die, die ihn bitten, seine Gefolgschaft zum Schweigen zu bringen, nur vorsichtig sein, alles richtig machen. Das Lob Gottes mit den Worten des Propheten „Gesegnet ist der König, der im Namen des Herrn kommt“ war ja auch den Pharisäern vertraut, war auch ihre Hoffnung und ihre Freude.
Vielleicht waren sie einfach nur ängstlich, wollten nicht mit dem Lob des Gottes Israels die Mächtigen provozieren, den „Frieden“ mit der römischen Weltmacht auf's Spiel setzen. Wann wird vorsichtiges Schweigen falsch, Ausdruck von Ängstlichkeit, die das Vertrauen in Gott und den Mut verloren hat? Deshalb widerspricht Jesus und nimmt die, die zu ihm gehören, in Schutz. Nichts von dem, was ihm bevorsteht, können sie durch ihr Lob verhindern, ihm ersparen, aber dennoch muss es laut werden, was ihr Leben verändert und gerettet hat. Es soll doch für die ganze Welt gelten:
„Heißt den Herrn willkommen, alle Länder“, wie es so schön im 98. Psalm zu lesen war.
Christenmenschen bilden keine geschlossene Gesellschaft, die sich in die vier Wände ihrer Kirchenmauern zurückzieht, und wenn die noch so schön und einladend sind. Damit nicht die, die die Steine zum Schreien bringen, das letzte Wort behalten. Dafür hat Gott den Stein vom Grab gewälzt, damit „das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht“ wird. Und davon können und sollen wir ein Lied singen.

Amen.

 

Wir singen eines der beiden Lieder für die Woche nach dem Sonntag Kantate:

Ich sing dir mein Lied (Text und Musik aus Brasilien, Übertragung: Fritz Baltruweit, Barbara Hustedt)

Ich sing dir mein Lied – in ihm klingt mein Leben.
Die Töne, den Klang hast du mir gegeben
von Wachsen und Werden, von Himmel und Erde,
du Hüter des Lebens. Dir sing ich mein Lied.

Ich sing dir mein Lied – in ihm klingt mein Leben.
Den Rhythmus, den Schwung hast du mir gegeben
on deiner Geschichte, in die du uns mitnimmst,
du Hüter des Lebens. Dir sing ich mein Lied.

Ich sing dir mein Lied – in ihm klingt mein Leben.
Die Tonart, den Takt hast du mir gegeben
Von Nähe, die heil macht, wir können dich finden,
du Wunder des Lebens. Dir sing ich mein Lied.

Ich sing dir mein Lied – in ihm klingt mein Leben.
Die Höhen und Tiefen hast du mir gegeben.
Du hältst uns zusammen trotz Streit und Verletzung,
du Freundin des Lebens. Dir sing ich mein Lied.

Ich sing dir mein Lied – in ihm klingt mein Leben.
Die Töne, den Klang hast du mir gegeben
von Zeichen der Hoffnung auf steinigen Wegen,
du Zukunft des Lebens. Dir sing ich mein Lied.

 

Fürbittengebet

Wir danken dir für die Gabe der Musik und die vielen Menschen,
die in unseren Gemeinden dich mit ihren Stimmen und Instrumenten loben.
Lass sie nicht müde werden, lass ausstrahlen,
was durch sie verkündigt wird zu deinem Lob und deiner Ehre.
Danke für allen Trost und alle Aufmunterung,
die wir durch die Musik erleben.

Wir bitten dich für alle Menschen, die gefangen sind in Trauer,
Angst und Krankheit, denen Kummer und ohnmächtige Not die Kehle zuschnüren:
Lass sie erfahren, dass ihre Klage bei dir auf offene Ohren stößt,
lass sie spüren, dass du gerade ihnen nahe bist,
lass sie die Nähe von Menschen erleben, 
die den für sie richtigen Ton treffen, der sie wieder aufrichtet.

Wir bitten dich für die Verstorbenen
Alexander Masch und Uwe Steinicke,
dass du sie aufnimmst in deinen Frieden.
Lass alle, die um sie trauern, den Trost erfahren,
dass uns weder Tod noch Leben von deiner Liebe trennen kann.
Stärke alle, die mit Hingabe daran arbeiten,
dass deine Geschöpfe in Würde leben und auch in Würde sterben können.

Amen.